Schicksalsberg und Himmelsauge

Die Zermatter Burger wird es nicht freuen: Durch die besprochene Publikation erfahren wir, dass es weltweit 70 Matterhörner gibt, also 69 mehr oder weniger gute Kopien des Originals. Zählt man die City-Mountains dazu, sind es vielleicht noch mehr. Wozu also am «Horu» Schlange stehen? Die Welt ist gross, Zermatt ist klein.

“To protect the fragile geological scenery, for the safety of climbers and to maintain the completeness of a mountain that is sacred to the aborigines, the Forestry Bureau removed the iron ladder that climber used to reach the peak and announced a ban on climbing to the peak of Mt. Dabajian in 1989. Mt. Dabajian is one of the two landmark mountains of She-pa National Park and anyone who has seen its photograph will say that it is an unusual shape, looking like a huge rock wine barrel.”

Bis gestern hatte ich noch nie etwas vom Dabajian Mountain oder Mount Dabajian oder auch nur Dabajian gehört. Wer seinen Namen googelt, wird es sofort sehen: ein sehr auffälliger Berg. Ein scharfkantiger Klotz, ähnlich wuchtiger Dolomitengipfel. Beim ersten Anblick dachte ich an die Grosse Zinne; der Monte Agner kam mir auch in den Sinn, die Pala di San Martino ebenfalls. Als ein riesiges Weinfass, wie auf der Website np.cpami.gov.tw zu lesen ist, kommt mit der Dabajian (3490 m) allerdings nicht vor. Dann schon eher wie ein Matterhorn. Und genau wegen dieser Ähnlichkeit lernte ich diesen Mountain überhaupt kennen. Gestern lag in meinem Briefkasten nämlich das knapp 100seitige Taschenbuch „Schicksalsberg und Himmelsauge. 777 Beinamen von Bergen, Tälern, Inseln, Flüssen und Seen“ von Richard Deiss. Und da finden sich im Kapitel 1 mit berühmten Bergen als Beinamengeber 70 Matterhörner auf der ganzen Welt, darunter eben der Dabajian als das „Matterhorn Taiwans“.

Offenbar darf man den Dabajian nicht mehr besteigen, nur noch umrunden auf einem dreitägigen Trekking durch den Shei-Pa National Park. Doch es locken ja noch viele andere Matterhörner. Zum Beispiel der Muschelkalkberg Jenzig (385 m), Hausberg von Jena, Matterhorn des Saaletales – und bestimmt schneefrei, auch wenn sich zur Zeit der Winter vielerorts wieder bemerkbar macht…

Kehren wir aber noch rasch auf die überraschend gebirgige Insel im Westpazifik zurück. Wer Taiwan und seine Berge näher kennenlernen möchte, muss gar nicht weit reisen. Ab heute Abend sind sie in Bern im Alpinen Museum der Schweiz zu sehen, wenn um 18 Uhr die fünfte Sonderausstellung im Biwak eröffnet wird: „City Mountains. Made in Taipei, Taiwan“. Dazu das ALPS auf seiner Webseite: „Sie stehen an fast jeder Strassenecke Taipeis. Gemalte Berge. Der Himmel ist immer blau, die Natur intakt, die Bächlein rauschen. Rund um diese Bergwelt, die auf Elektroschaltkästen von Lichtsignalanlagen gemalt ist, tobt der Verkehr der Millionenstadt. Auftraggeber der Stadtverschönerung ist Taiwans staatlicher Elektrokonzern Taipower. Er beauftragt ehemalige Filmplakatmaler mit diesen Auftragswerken, in Taipei und weiteren Grossstädten Taiwans.“ Mehr noch: Der taiwanische Maler Jui-Chin Chiu wird auf einem Grossplakat an der Museumsfassade und auf Elektroschaltkästen im öffentlichen Raum der Stadt Bern seine Berge hinterlassen. Hoffentlich auch den Dabajian.

Richard Deiss: Schicksalsberg und Himmelsauge. 777 Beinamen von Bergen, Tälern, Inseln, Flüssen und Seen. Books on Demand, 2012. Fr. 9.50 bei www.exlibris.ch; da bei Bestellungen unter 10 Franken Portokosten anfallen, bestellt man sich am besten gleich noch ein anderes Buch. Zum Beispiel „Matterhorn. Ein Vietnam-Roman“ von Karl Marlantes; Auszug aus dem Klappentext: „Dies ist die Geschichte von Second Lieutenant Waino Mellas, der 1969 im Alter von 19 Jahren nach Vietnam kommt und dort mit seinen Männern den Befehl erhält, einen abgelegenen Hügel an der Grenze zu Laos und Nordvietnam zu einer Feuerunterstützungsbasis auszubauen. Die Soldaten taufen die in kalten Monsunregen und Wolken gehüllte Kuppe auf den Namen Matterhorn.“

Biwak#05 im Alpinen Museum der Schweiz in Bern: City Mountains. Made in Taipei, Taiwan. 24. Mai bis 18. August 2013.

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