Luzern feiert seinen berühmtesten Maler mit einer grossartigen Ausstellung und ebensolchen Publikationen. Unübersehbar im Mittelpunkt: die Rigi.
„Ein Berg aus Licht ist die Rigi, sie scheint über dem Wasser zu schweben, doch wie ist das möglich? Kann ein Berg schweben? Hier kann er es.“
Schreibt der holländische Schriftsteller Cees Nooteboom in seinem Beitrag zum Ausstellungskatalog eines Künstlers, dessen Werke ab heute Samstag, 6. Juli, bis zum 13. Oktober 2019 im Kunstmuseum Luzern gezeigt werden. Der vielversprechende Titel der Ausstellung lautet „Turner – Das Meer und die Alpen“. Dass das Kunstmuseum Luzern gerade mit Joseph Mallord William Turner (1775–1851) das 200-Jahr-Jubiläum der Kunstgesellschaft Luzern, also seinen Trägerverein, feiert, ist natürlich kein Zufall. Kein anderer Maler hat die Stadt, den See und seine bekanntesten Berge, den Pilatus und vor allem die Rigi, derart gekonnt und dicht, lichtdurchflutet und unverwechselbar gemalt, aquarelliert und gezeichnet wie Turner. Nochmals Cees Nooteboom zum Aquarell „The Blue Rigi“, 1842 gemalt, 29,7 x 45,0 cm gross, sonst in der Tate in London ausgestellt – die Ausstellung in Luzern ist denn auch in Kooperation mit ihr entstanden: „Wir sehen Vögel in einem Lichtfleck auf dem Wasser, rechts möglicherweise die düstere Form eines kleinen Boots, noch weiter entfernt ein kleines Schiff, die Menschen darauf von einem einzigen Lichtfleck punktförmig erfasst, weiter oben fliegen ein paar Vögel, als wäre das Sonnenlicht ihre Domäne, und darunter, blau, von Licht- oder Nebelschwaden berührt, segelt, schwimmt die Form der Rigi und erwartet den Tag.“ Klasse, nicht wahr? Der Berg, der den Tag erwartet, und wir schauen ihm dabei zu, auf dieser mit Wasserfarben auf Papier gezauberten Landschaft. Es erstaunt nicht, dass ein Ausschnitt der „blauen Rigi“ das Cover des Kataloges „Turner – Das Meer und die Alpen“ bildet.
Anders gesagt: Diese Ausstellung ist ein Muss, aber nicht allein wegen der „blauen Rigi“, sondern auch wegen des Aquarells „A Storm over the Rigi“, des Ölgemäldes „Sunset from the Top of the Rigi“ und – ich kann sie gar nicht aufzählen, all diese Bilder voller Farbe und Licht. Und dann das Aquarell „Beach and Sailboat“ – weniger geht nicht, mehr auch nicht. Reduce to the max. Also: Auf ins Kunstmuseum Luzern, und nicht vergessen, den Katalog zu kaufen. Nicht allein wegen der Bilder, sondern auch wegen der Texte. Cees Nooteboom ist wirklich lesenswert, wie auch der „Wetterbericht“ der Kunstmuseumsdirektorin Fanni Fetzer und die Untersuchung von Beat Wismer zur (abstrakten) Modernität von Turner. Ja, ein zweites Buch sollten wir auch noch gleich mitnehmen: das „Luzerner Skizzenbuch“ von Turner, ein gediegen gestaltetes Faksimile. Da schauen wir dem heute weltberühmten Maler sozusagen über die Schulter, wie er 1844, bei seinem sechsten und letzten Besuch in der Schweiz, immer wieder seinen Berg, die Rigi, festhält.
William Turner ist selbstverständlich auch im neuen Band der Reihe „Wandern wie gemalt – auf den Spuren bekannter Gemälde“ von Ruth Michel Richter und Konrad Richter dabei. Nach den Bänden zum Berner Oberland und zu Graubünden wird nun die Gotthardregion farblich und künstlerisch aufgemischt. 14 attraktive, mit allen wandertouristischen Infos und viel Hintergrund zu Land, Leuten und natürlich Künstlern vorgestellten Wanderungen führen zu 22 Standorten für bekannte und weniger bekannte Gemälde, Skizzen, Stiche und Aquarelle; zu stillen Bergseen und lauten Schluchten, düsteren Tälern und hellen Hochebenen. Wunderbare Szenerien, festgehalten von Alexandre Calame, Rudolf Koller, Caspar Wolf, Heinrich Danioth oder Fritz Zbinden und, immerhin ein Gemälde von einer Frau, Isabelle Tabin-Darbellay. Wanderung 10 geht nach Bellinzona und zum Bild „Bellinzona: The Curch of SS Pietro e Stefano, and the Castello Grande, from the East“. Gemalt hat es unser William Turner anno 1843, auf seiner fünften Schweizer Reise. Auf seiner ersten im Jahre 1802 kam er in Martigny vorbei und malte dort die Burg La Bâtiaz. Das Ölbild ist in Luzern ausgestellt.
Fanni Fetzer, Beat Wismer: Turner – Das Meer und die Alpen. Kunstmuseum Luzern/Hirmer Verlag, 2019, Fr. 39.-
J.M.W. Turner: Luzerner Skizzenbuch. Mit einer Einleitung von David Blayney Brown. Kunstmuseum Luzern/Hirmer Verlag, 2019, Fr. 25.-
Ruth Michel Richter (Text), Konrad Richter (Fotos): Wandern wie gemalt – Gotthardregion. Auf den Spuren bekannter Gemälde. Seelisberg – Bellinzona – Disentis – Goms. Rotpunktverlag, Zürich 2019, Fr. 43.-
Kunstmuseum Luzern: Turner – Das Meer und die Alpen. 6. Juli bis 13. Oktober 2019. www.kunstmuseumluzern.ch/ausstellungen/turner-meer-alpen/