Ein Führer-Buch der ganz besonderen Art. Nämlich eines über Geschichte, Gegenwart und auch Zukunft gedruckter Reiseführer.
«Tour 21 war ein Flop. Wenigstens in gedruckter Form. Die Tour „Château de Peyrepertuse – Auf Touristen- und Schleichwegen rund um und in die grossartigste Burg der Katharer“ erschien denn auch nur in der ersten Auflage von 2007 meines mit Jacques Maubé verfassten Rother Wanderführers „Languedoc – Roussillon. 50 ausgewählte Wanderungen im Hinterland und an der Küste“ (2007). Peyrepertuse, diese grösste Citadelle du vertige, wollte ich unbedingt in unserem Wanderführer vorstellen. Aber nicht auf dem gewöhnlichen, von Tausenden von Touristen gemachten Weg vom Parkplatz unterhalb der Burg, sondern auf einer Rundwanderung, um noch mehr von dieser kargen, sonnendurchfluteten Landschaft im Führer drin zu haben. Allerdings gab es da laut Karte ein kleines Problem, da auf der Rückseite des Burghügels kein durchgehender Wanderweg eingezeichnet war. Doch bei einer Erkundigung vor Ort am 11. April 2004 fand ich eine durchaus begehbare Route, nicht zu Fuss, sondern mit dem Mountainbike, das ich auf leichteren Tourenrecherchen schon oft eingesetzt hatte, um, manchmal hin- und herfahrend, den besten Fussweg auszukundschaften. Im Führer las sich die als gut machbar befundene Route dann so:
„Vom Col de la Croix dessus (403 m) auf der D14 abwärts, bis rechts ein Teersträsschen abzweigt. Es kurvt – mit einer Markierung ‚Sentier Cathare‘ an einem Telefonmasten – hinab zu renoviertem Anwesen bei der Bergerie du Grès (310 m). Rechts daran vorbei und den linken Weg einschlagen. Er führt unmarkiert durchs Dickicht zu terrassierten Hängen. Unterhalb davon zweigt ein Pfad ab, der westwärts durch die grüne Wildnis leitet – immer wieder schöne Ausblicke auf Peyrepertuse.“
Soweit so gut. Bis im September 2009 der Rother Verlag folgende Leserzuschrift erhielt:
„Anders die Wanderung zur Burg der Katharer Chateau de Peyrepertuse, an dem renovierten Anwesen bei Bergerie du Gres, an dem man rechts vorbei gehen sollte um dann ins Dickicht zu gehen, kam uns eine Frau mit Bratpfanne entgegen und hat uns gedroht auf uns zuschlagen wenn wir ihr Grundstück betreten. Die Frau war von den Massen der Rotherwander genervt die alle Ihr Grundstück durchwandern wollten. Wieder eine Wanderung die uns von Ihrem Verlag versaut wurde. Wir sind dann zur Burg gefahren und haben auf die Wanderung verzichtet. Auf der Burg haben wir mehrere Deutsche getroffen denen es ähnlich ergangen ist.“»
Dumm gelaufen, in vielerlei Hinsicht, nom de Dieu! Wer noch die erste Auflage des Rother-Wanderführers von Anker/Maubé für Languedoc-Roussillon besitzt und braucht, sollte die Peyrepertuse-Tour also höchstens mit Bike und Helm (Bratpfanne!) wagen. Wer eine neuere Auflage zur Hand nimmt, wandert mit Tour 21 nun zum benachbarten Chateau de Quéribus, auf offiziellen und gut markierten Wegen.
Die ganz unterschiedlichen Erfahrungen mit den heiligen Peyrepertuse und Propriété privée machen den Beginn meines Beitrages über die Erfahrungen eines Führerautors im druckfrischen Buch „Vaut les voyages? Histoire de guides“, herausgegeben von Ariane Devanthéry und Claude Reichler. In den fünf Kapiteln „En pays lointains“, „Pour…“, „Contre…“, „Bien au contraire“ sowie „Tourisme noir“ befassen sich 27 Autorinnen und Autoren aus ganz verschiedenen Blickwinkeln mit Geschichte, Gegenwart und Zukunft gedruckter Reiseführer; dazu zählen ja auch Wanderführer. Von ihrer Nützlichkeit und Schädlichkeit, Notwendigkeit und vielleicht ebenfalls Überflüssigkeit (im Zeitalter von Internet und Smartphone). Von ihrer Vielfältigkeit, ihren Möglichkeiten und Zwängen. Immer vorbildlich präsentiert mit konkreten Beispielen. Und mit 33 Abbildungen; die letzte zeigt junge Leute, die beim Eingang zum Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau ein Selfie machen.
Herausgeber Claude Reichler schliesst die Reise durch die Welt der Reiseführer mit diesen Sätzen: «Comme les guides de randonnée sont soucieux d’indiquer les moyens de transports publics pour rejoindre le point de départ d’une excursion, ou comme il y a d’excellents guides culturels, on pourrait imaginer des écoguides qui introduiraient dans le tourisme les comportements de préservation de la nature, de maintien de la diversité des espèces, de respect des cultures humaines et de discrétion dans les villes visitées.»
Vaut le voyage? Histoire de guides. Édité et présenté par Ariane Devanthéry et Claude Reichler. Éditions Slatkine, Genève 2019, Fr. 34.-
Die Vernissage dieses besonderen Führer-Buches findet statt am Mittwoch, 27. März 2019, um 18 Uhr im Palais de Rumine, salle du Sénat (1er étage à gauche), an der Place de la Riponne 6 in Lausanne. Gleichzeitig wird der 20. Geburtstag der Association culturelle pour le voyage en Suisse gefeiert.