Skitouren und Skipisten – für mehr als ein Jahr

Drei neue Skiführer für diejenigen, die wenn möglich während zwölf Monaten und in ganz Europa Ski fahren wollen.

«Plötzlich das schöne Wetter, da musste ich hinauf, in die Weite. Und dann der Schnee, der gleisst in der Herbstsonne, der leistungsorientierte Wunsch, im September doch noch skizufahren, um in jedem Monat auf den Brettern gestanden zu haben. War sackstark, den verschneiten Hang hinaufzusteigen, eine einsame Spur hineinzulegen. Und oben die Rundsicht, Gefühl von Schwerelosigkeit. Oben war der Schnee nicht ganz perfekt, doch dann bis zur Mitte schön weich, und Erinnerungen an das Rhythmusgefühl. Die Lockerheit fehlte noch. Zurück zur Wasserscheide die Skis tragen, was macht’s aus?»

Eintrag vom 30. September 1981 im dritten Tourenbuch von Daniel Anker, Chrummfadenfluh (2075 m) in der Stockhorn-Gantrisch-Kette der Berner Voralpen. Meine Heimatberge. Tatsächlich machte ich in diesem Jahr auch noch im Oktober und November je eine Skitour, bei zu wenig bzw. zu viel Schnee. Aber am 12. Dezember 1981 notierte ich dann: „Endlich guter Pulverschnee.“ Die Skisaison konnte weitergehen. Ich schaffte es seither nicht mehr, in einem Jahr in jedem Monat Ski zu fahren. Umso mehr freute mich das Mail von Anna Rösch vom Panico Alpinverlag vom 14. Dezember 2023:

„Hallo Daniel, wie jede Saison gibt es auch diesen Winter wieder neue Skitourenführer von uns. Darunter ist vor allem ‚Skitouren für das ganze Jahr‘ von Andreas Brunner hervorzuheben, der ein dickes Paket an beeindruckenden Skitouren im gesamten Alpenraum geschnürt hat. Ich habe dir den kurzen Pressezettel angehängt und bringe ein Exemplar des Skiführers auf den Weg zu dir. Wenn du Lust hast, das Buch zu besprechen, freuen wir uns sehr! Es ist das Erstlingswerk des Autors und mE mit viel Liebe zum Detail zusammengetragen. Falls du mehr Informationen benötigst, melde dich gerne einfach bei mir! Viele Grüße, Anna.“

Diese Anna kenne ich nicht, den Verlag, in dem sie arbeitet, hingegen schon. Der macht starke Kletter- und Skitourenführer. Und ein solches Werk ist auch dasjenige von Andreas Brunner: „Skitouren für das ganze Jahr. 68 Skitouren von Oktober bis Juni“, inklusive GPS-Tracks, Ausrüstungstipps, Materialpflege, Lawinenwissen, Wetterkunde, Strategie und Planung. Seitenweise (überlebens-)wichtige Ratschläge, damit wir von Juli bis September auch etwas zu tun haben, wenn wir schon nicht auf den Brettern stehen können. Die ausführlich und mit vielen Farbfotos vorgestellten Touren stammen vor allem aus den Ostalpen. Aus den Westalpen dabei sind solche von Saas Fee (Oktober), Monte Rosa (November), Valle Maira (Jänner), Berner Oberland (März), Gran Paradiso (April) und Chamonix (Mai); ein ganz besonderer Tipp ist der Gran Sasso (2912 m) in den Abruzzen (Februar). Den Dom (4546 m) hätte ich allerdings nicht für den März angegeben, sondern für den Juni, da die Ski ohnehin bis fast zur Domhütte SAC (2937 m) getragen werden müssen; auf dem ausgesetzten Hüttenweg durch die Festiflüe wird man froh sein, wenn es keinen Schnee hat. Nicht von ungefähr machten Arnold Lunn und Josef Knubel die erste Skibesteigung des Doms am 18. Juni 1917, mit Abfahrt vom Gipfel.

Weniger anstrengend sind die Aufstiege und Abfahrten (Abstiege gibt es höchstens kurze vom Gipfel zum Skidepot), die Simon Wohlgenannt in „Freeride. Bucket List Vorarlberg“ vorstellt, mit vielen Fotos (oft mit eingezeichneten Verläufen) und genauen Karten. Allen 50 Touren im Montafon, am Arlberg und im Klostertal, im Bregenzerwald und im Kleinwalsertal gemeinsam sind kurze, liftunterstützte Aufstiege und aussergewöhnliche, lohnende Abfahrten. Mit dabei sind die Schwierigkeitsgrade von grün und L (leicht) bis rot und SS (sehr schwierig). Bei den letzteren Touren muss man schon sicher auf den zwei Brettern bzw. auf dem einen Brett stehen. Das Guidebook richtet sich nämlich nicht nur an Variantenskifahrer und Freeriderinnen, sondern auch an Split- und Snowboarderinnen, also an solche Schneesportler, die mit Schneeschuhen und dem Board auf dem Rucksack bzw. mit einem Brett, das sich für den Aufstieg teilen und mit Fellen bekleben lässt, durch verschneite Hänge aufsteigen, um dann locker durch Pulverschnee in die Tiefe zu gleiten. Viele Fotos im Führer zeigen diese Tätigkeit – dieses Gefühl, weswegen wir immer wieder unterwegs sind, auch im Frühherbst, wenn es frisch geschneit hat.

68 Touren im ganzen Jahr, 50 im Vorarlberg. Und jetzt noch „111 Skipisten in Europa, die man gefahren sein muss“. Christoph Schrahe, Jimmy Petterson und Patrick Thorne präsentieren grossartige, legendäre, einzigartige und oft unbekannte Skiabfahren quer durch Europa. Zuoberst auf dem Podest Frankreich mit 18 Pisten, wovon 13 in den Alpen, die andern im Massif central, in den Vogesen und Pyrenäen sowie auf Korsika. An zweiter Stelle mit 17 Abfahrten Italien, wo sich auch im Apennin und auf Sizilien bestens skifahren lässt. Platz drei belegt Norwegen mit sieben Abfahrten. Den vierten teilen sich mit je vier Abfahrten Schweden sowie Österreich und die Schweiz. Viele Abfahrten dieser beiden Alpenländer sind in „111 Skipisten, die man gefahen sein muss“ beschrieben (vgl. https://bergliteratur.ch/fuehrer-fuer-die-wintersaison/). Von Europas grossen Skigebirgen im neuen Führer ist der Jura nicht dabei. Dafür, und das macht auch den Reiz des Führers aus, sind einige wirklich wilde und exotische Skiwinkel zu entdecken, in den baltischen Staaten und Niederlanden, in Osteuropa, auf Zypern. Oder in Portugal, auf dem Torre (1997 m) in der Serra da Estrale. Zu Weihnachten 2023 kriegte ich von Schwägerin und Schwager eine Büchse mit Milchschokolade, auf dem Deckel hinten die beiden Kuppeltürme, das Wahrzeichen auf dem höchsten Gipfel von Festland-Portugal, vorne eine sich in der Luft befindende Skifahrerin im Ami-Look der 1950er Jahre: ein Gefühl von Schwerelosigkeit.

Andreas Brunner: Skitouren für das ganze Jahr. Panico Alpinverlag, Köngen 2024. € 44,80.

Simon Wohlgenannt: Freeride. Bucket List Vorarlberg. Tyrolia Verlag, Innsbruck 2023. € 29,00.

Christoph Schrahe, Jimmy Petterson, Patrick Thorne: 111 Skipisten in Europa, die man gefahren sein muss. Emons Verlag, Köln 2023. € 18,00.

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