Säntis per pedes

Zu Fuss auf einen Gipfel, auf den eine Seilbahn führt? Niemals! Oder doch?

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Für die letzten Meter zum Gipfel nehmen wir den Lift. Wir haben uns im Labyrint der Seilbahnstation verirrt, in dunklen Schächten, Kiosks, Panoramarestaurants mit verglasten Terrassen, Toiletten, blauen Plastikkühen, Plakaten und Bildschirmen. Der Lift rettet uns, ein Knopfdruck: Gipfel! Willkommen auf dem Säntis! Freie Sicht aufs Schwabenmeer. Schnell ein paar Bergnamen repetiert: Altmann, Hundstein, Zimba, Silvretta, Palü, Tödi und so weiter. Oh ja, das Ringelspitzli, höchster St.Galler Berg, zeigt sich auch noch. Nur das Mittelmeer nicht, die Alpen stehen noch.
Und hier steht eine rotweisse Interkontinentalrakete bereit zum Start. Und ein tibetanisches Monument mit wehenden Gebetsfahnen. Und zuoberst die Wetterstation, die uns schliesslich an unsere Mission erinnert: Säntismord! Wir sind auf den Spuren von Literatur gewandert, zu Fuss von der Ebenalp hier hinauf am fast heissesten Tag der Welt. Ein strenger Arbeitstag also. I.C Heer und Hermann Hesse, Ekkehard und Ebel, der berühmte Absturz des Geologen Albert Heim und nicht zu vergessen den Alpsteinkrimi einer jungen Autorin. Und der Realkrimi des Mordes am Wetterwartpaar im Jahr 1922.
Alles im Kopf und in den Füssen: vom Wildkirchli hoch über dem Seealpsee die Äscherwand entlang, die in der Sonne glüht. Wie vor ein paar Jahren, als wir an einem Geburtstag die Route «Grosis Geburtstag» kletterten – inzwischen ist das Geburtstagskind ein richtiges Grosi geworden. Und klettert immer noch, heute allerdings nicht, heute gehts steil und heiss bergwärts. Zu Molke mit Aprikosengeschmack auf der freundlichen Altenalp und dann steinig und stotzig über Pässchen auf und ab und schliesslich über weite Schneefelder zum Blauschnee, der zwar nicht blau ist, dafür mit gut gestampfter Spur, schliesslich an Drahtseilen und Klammern über die «Himmelsleiter» ins Labyrinth der Gipfelstation, die wie ein Atombunker aussieht, samt Rakete. Die Wanderung, wunderbar und einsam und sehr empfehlenswert, falls man den Gipfelschock erträgt oder ausblendet. Dann Bier und Alpsteinpasta und Schlaf bis zum Sonnenaufgang im überaus freundlichen Gasthaus zum Alten Säntis.

Falesie di Gudo

Ein neues Klettergebiet im Tessin besucht. Ein Idyll zum Verweilen, zum Klettern eher gewöhnungsbdürftig.

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«Benvenuti al Canyon». So freundlich sind wir noch nie in einem Kettergebiet begrüsst worden. Canyon ist ein Sektor der Falesie di Gudo. Die Felsen hoch über der Magadinoebene sind vom Tal aus kaum sichtbar und erst vor wenigen Jahren von Tessiner Kletterern erschlossen worden. Aber nicht geheim gehalten, wie das in der Gegend einst üblich war. Im Gegenteil. Die Topos zum Herunterladen auf dem Internet beschreiben Anfahrt und Zugang im Detail, der Weg durch den Kastanienwald ist sorgfältig angelegt, alle paar Meter weisen kleine rotweisse Pfeile die Richtung – auch in Gegenrichtung!, man muss ja das Auto wieder finden – und dann das Täfelchen an einem Baum zur Begrüssung.
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Unter den bizarren Felsformationen des «Canyon» ist ein Rastplatz eingerichtet, mit Tisch und Bänken und selbst der Aschenbecher aus Granit fehlt nicht. Die Routen sind weithin sichtbar in gelber Farbe und grossen Buchstaben an die Einstiege geschrieben, mit Schwierigkeitsgrad. Haken, Umlenkungen – hier stimmt alles und auch das Ambiente. An den Birken und Kastanien spriesst das erste Grün, lässt den Blick noch frei über die Ebene und zum Ceneri, hoch am Himmel kreist ein Adler, am Fuss der Wand windet sich eine junge Ringelnatter. Idyll! Idyll! Hier hat jemand mit Hingabe und Sorgfalt einen kleinen Kletter-Freizeitpark eingerichtet und für die Klettergemeinde zur Verfügung gestellt.
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In dieses Paradies fällt nur winziger Wermutstropfen: Die Kletterei. «La roccia, sebbene non sia fra le migliori de Cantone, offre vie molto variate e mai banali», hat schon das Topo die Erwartungen etwas gedämpft. Vielleicht haben wir auch nicht gerade unsere Sternstunde getroffen, finden wir doch die Routen, die wir kletterten, na ja, nicht eben hinreissend, mal horrible Einzelstellen, mal ein Band, auf das man nicht fallen möchte, mal glatte Auflegergriffe, die Bewertungen ziemlich hart. Den Fels kann man halt nicht ändern und Klettern ist eine subjektive Angelegenheit. Der eine bricht sich die Finger, der andere leckt sie vor lauter Genuss. Das Gebiet ist sicher gewöhnungsbedürftig. Uns Verwöhnten fehlt wohl etwas die Geduld.

In der Efeugrotte

Ein einzigartiges Klettergebiet in Finale, gut für Schatten an heissen Tagen. Mit kalten Fingern an den senkrechten Fels geklammert – wie Efeu.

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Mit Stirnlampen ausgerüstet klimmen wir über schmieriges Blockwerk höher, ziehen uns an vergammelten Fixseilen über Steilstufen hinauf. Rutschig und lehmig der Grund, die Höhle wird enger, dunkler, Platzangst kündigt sich an. Herzklopfen. Am Ende wird der Schacht so eng, dass wir die Rucksäcke und den Seilsack vor uns her schieben. Um eine Kante und dann stehen wir im Licht in einem gewaltigen Schacht, zwanzig Meter Durchmesser vielleicht, fast kreisrund, dreissig Meter über uns der Rand, von Gebüsch bekränzt. Tropfstein und senkrechter löchriger Kalk. Hier klettern?
«Da non perdere», steht im Führer. Die «Grotta dell’ Edera», die Efeugrotte also. Auf der einen Seite ein riesiges Fenster, Sintersäulen, Verschneidungen, Überhänge. Es ist kalt, draussen Sonne, wolkenloser Himmel über uns. Zu heiss zum Klettern an der Sonne, haben die Kollegen befunden. Mögen ja wohl recht haben. Es ist doch immer zu heiss oder zu kalt. Besonders bei so kleingriffigem löchrigem steilem Fels. Kaltstart ohne Aufwärmen in die Senkrechte. Ich bin froh, steigt der Freund vor. Es ist eine Erleichterung, wenn die Expressschlingen schon hängen und man weiss, dass es irgendwie geht. Auf halber Höhe ein schmales Band, rasten, in die Hände hauchen, die Finger sind schon klamm. Wärmen auch nicht auf beim Weiterklettern, denn die Griffe sind nun wirklich winzig, der Fels eisig, obwohl schon die Sonne in diesen Teil der Grotte scheint. Irgendwie schaffe ich es dann doch zur Umlenkung. Die zweite Route geht dann schon ganz gut.
«Da non perdere.» Die Grotte, eine gewaltige Doline eigentlich, ist auch ohne Klettern sehenswert. In einem der riesigen Fenster taucht eine Gruppe Jugendlicher auf, die staunen, schauen, wie unsere Freaks locker durch die Überhänge turnen. Italiener, Franzosen und wir, ein kleines Europa hat sich schon versammelt auf diesem winzigen versteckten Fleck Erde. Einst vielleicht Unterschlupf für Partisanen oder heimlich Verliebte? Ein wunderbares Volkslied fällt mir ein, ein Lied über versteckte Liebe aus dem Mugello bei Florenz. Die Liebe ist wie Efeu, wo sie sich anklammert, stirbt sie. So hat sich mein Herz an dich geklammert.
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L’amore è come l’ellera,
dove s’attacca muore
così così il mio cuore
mi s’è attaccato a te.
Nun, heute ist meine Liebe weit weg. Statt an ihr Herz, klammere ich mich an den kalten Fels. Im Mugello waren wir einst und es war ein so blauer Frühling wie heute. Auf dem Rückweg von jener Reise kamen wir zum ersten Mal nach Finale, doch an Klettern in diesen Felsen dachten wir noch nicht. So kreuzen sich unsere eigenen Wege immer wieder, die Wege von heute und jene von Gestern, Vorgestern. Die Liebe ist geblieben, auch jene zum Fels. Oh, wenn er nur nicht so kalt wäre, heute.

Der Falke am Cucco

Eine Begegnung im Fels, die Vogelschützern keine Freude gemacht hätte. Die Strafe folgt im Flug.

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Es gibt Routen, die sind einfach Pflicht. Zum Beispiel «Oggi in stereo» am Monte Cucco, Finale. Kein Gedränge heute, doch am Einstieg hängt ein Zettel in einer Plastikmappe: «birds eggs! uova di rapace!» Brütende Vögel! Vielleicht der Grund, dass in diesem Sektor niemand klettert. Aber wo brüten denn die Vögel? In irgend einem der Löcher, die in dieser Route so schönen Griff bieten? Schwalben kreisen um die Wand, aber das sind wohl keine Felsenbrüter.
Wir packen das Seil aus, schauen links, schauen rechts, ob da nicht aus einem Gebüsch ein militanter Vogelschützer auftaucht und uns von der Wand prügelt. Aber wir sind ja nicht im Donautal … Und die italienischen Ornithologen wohl etwas toleranter als jene nördlich der Alpen … Schliesslich haben wir hier bei Freunden auch schon kleine Vögel am Spiess als Delikatessen serviert bekommen. Geschmackssache allerdings.
Also packen wir mal eine Route einige Meter rechts von «Oggi in stereo» an. Immer mit Blick hinüber zu den Löchern, aber da tut sich nichts. Beim Ablassen pendle ich vorsichtig zum grössten Loch, das ich bestens kenne. Kurz vor dem Ausstieg aus «Oggi in stereo», ein Untergriff und dann die Kante gepackt und ein scharfer Klimmzug und hinein in die kleine Höhle. Rasten, Arme schütteln. Dutzende Male gemacht. Und dann der Wunsch, einen Haken zu hängen, aber der winkt rechts in der Höhe, nach ein paar luftigen Tritten … Ein ideales Vogelnest, gewiss, und da liegt auch ein Federchen an der Kante. Also ablassen. Noch immer kein Vogelschützer in Sicht. Nun wage ich die Route gleich neben der gesperrten, «Domani in mono». Der Herrscher aller Wesen der Lüfte soll mir verzeihen. Ständig blinzle ich hinüber und hätte wohl besser auf meine Füsse geblinzelt, wo die denn stehen oder eben nicht, denn schon sind sie abgeschmiert und nun bin ich selber ein Vogel, der fliegt und fliegt … Der Grosse Vogel straft sofort!
Gut, hat’s niemand gesehen. Also am Seil hochgezogen zum Haken und weiter, etwas vorsichtiger und ohne Blick zum Vogelnest. Und wieder pendle ich beim Ablassen vorsichtig hinüber, noch ein bisschen näher, und dann schauen wir uns verwundert an, der brütende Wanderfalke oder die Wanderfalkin. Ein grosses schönes Tier, braungrau gesprenkelt, weisse Brust, Krummschnabel. Und ich hoffe inständig, liebe Falkin, dass ich dich nicht allzu sehr erschreckt habe.
Es waren jedenfalls weise Kletterer, die den Zettel an den Einstieg gehängt haben. Ich hoffe, er wird auch noch respektiert, wenn um Ostern der grosse Run auf die Felsen der Gegend einsetzt. Und auch richtig verstanden, nicht dass einer noch meint, es handle sich um ein spektakuläres Versteck für Ostereier.
Die Brut der Wanderfalken dauert über einen Monat, lese ich, die Jungen fliegen nach über vierzig Tagen aus und bleiben dann noch einige Wochen im Revier. Um «Oggi in stereo» dieses Jahr nochmals zu klettern, müssen wir wohl im Herbst wiederkommen.
Am Abend sind wir übrigens von Freunden eingeladen in ein feines Restaurant am Villenhügel von Finale namens «Cucco». Hat aber nichts mit dem Kletterberg zu tun, sondern mit einem Partisanenführer, der so genannt wurde, und dessen Söhne heute das Lokal führen. Auf der Karte gibt’s vor allem Fisch – keine Vögel.

(Bilder aus dem Internet)

Stöcklichrüz

Skitour auf einen Hügel am Zürichsee – ein seltenes Ereignis. Der anhaltenden Kälte und dem strahlenden Wintertag sei Dank.

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Im Zug kommt mir wieder mal ein alter Witz in den Sinn. Welches ist die lustigste Bahnstation der Schweiz? Siebnen. Weil man vor Lachen aussteigen muss. Heute steigen wir aber nicht vor sondern in Lachen aus. Und der Himmel lacht, wenn wir schon bei dem lustigen Thema sind. Hochnebel war angesagt, nichts davon ist zu sehen. Nur weisse Winterlandschaft im Sonnenlicht. Wo’s hochgeht, ist leicht zu finden, die Tour ist eine Piste. Wir sind, wie immer, zu spät für den unberührten Pulverschnee, aber was solls. Wer ihn heutzutage sucht, muss spätestens bei erheblicher Lawinengefahr losziehen, sonst kommen einem andere zuvor. Ausser das Wetter und die Kälte schenken einem einen so schönen Skiberg wie das Stöcklichrüz im Pulverschnee, was wegen der Klimaerwärmung nur noch alle paar Jahre mal vorkommt.
Frohgemut fellen wir hoch, überholt von ein paar Schnellen. Beim ersten Kreuz gibt’s Rast und Tee. Der Hügel macht seinem Namen Ehre, auch am Gipfel schauen zwei Kreuze ins Tal, eins in die March, das andere nach Einsiedeln mit dem Kloster. Der höchste Punkt ist einem Triangulationsdreieck vorbehalten. Die Landestopografie (also Wissenschaft) steht hier über der Religion (also dem Glauben). Das macht das Stöcklichrüz irgendwie säkular, trotz dem religiösen begründeten Namen.
Aber wir sind ja noch im Aufstieg. Früher muss die Tour wohl jedes Jahr machbar gewesen sein, gehörte sie doch ins Standardprogramm als Einsteigertour bei der IO des SAC Bachtel, der ich damals angehörte. Ich sehe den IO-Leiter noch vor mir, Walter Z., eine Art Vaterfigur mit weisser Dächlikappe, Knickerbockern, einem Rubi-Rucksack mit Lederboden und stets eine Zigarette im Mundwinkel. Ruhig und bestimmt, eine Autorität. Mit uns jungen Wilden hatte er eher Mühe, weil wir lieber privat kletterten, als auf IO-Touren. Am ehesten kamen noch Skitouren in Frage. Also hiess es: teilnehmen oder den ausgeliehenen Eispickel wieder abgeben. Ich entschied mich fürs Abgeben.
Auf jener Skitour im Bündnerland war ich nicht dabei, als es passierte. Die IO fuhr ab von einem Gipfel auf eine Alp, ein Prachtstag wie heute. Fünf starke Skitourengänger baten den Chef, nochmals zu einem weiteren Gipfel aufzusteigen, Walter hatte nichts dagegen. Die Fünf wurden von einer Lawine verschüttet, vier nur noch tot geborgen. Darunter mein Kletterfreund Hans T. Der Fall endete vor Bundesgericht, das Walter Z. wegen fahrlässiger Tötung verurteilte. Er hatte den Lawinenbericht nicht beachtet. Er habe zeitlebens unter dem Urteil gelitten, sagte man, ist wenige Jahre darauf verstorben. Ich bin kein Jurist, habe mich aber nach dem schweren Militär-Lawinenunglück an der Jungfrau im Jahr 2007 gewundert, dass die Bergführer freigesprochen wurden, trotz sehr schlechtem Lawinenbericht. Das Bundesgerichtsurteil im Fall der IO Bachtel sollte ja eigentlich wegweisend sein, Gregor Benisowitsch ist in seiner alpin-juristischen Dissertation ausführlich darauf eingegangen.
Vielleicht wälze ich an diesem so schwerelosen Tag am Stöcklichrüz so schwere Gedanken, weil in den letzten Tagen wieder viele Menschen in Lawinen umgekommen sind. Darunter eine Gruppe der SAC-Sektion Lägern. Und ein Tourenleiter der Sektion Bachtel am Gulmen, einem Hügel, von dem man sagt, da könne man bei jeden Verhältnissen hinauf. Wie aufs Stöcklichrüz.
Inzwischen sind wir auf dem Gipfel angekommen, der Biswind bläst und lässt die gefühlte Kälte absinken. Schnell die Felle weg, kurz in die Runde geschaut: Bachtel, Säntis, Bockmattli, Vrenelisgärtli, irgendwo die Mythen. Alles im hellen Licht, schneebedeckt, und in der Tiefe der mattgrüne See, Rapperswil, die Inseln, der Damm. Und Lachen, das Dorf, das mit neuen Wohnquartieren fast zur Stadt gewachsen ist. Dann Picknick an einem windgeschützten Schneehang, Abfahrt auf der verkrusteten verfahrenen Piste, gelegentlich noch ein unberührtes Stück Pulverschnee. Ein paar Schwünge, ein bellender Hund bei einem Hof, die letzte leicht geneigte Fläche mit Stockhilfe. Ein alter Mann, dem wir auf der Strasse begegnen, sagt: «Ah, die Stöckliabfahrt.» «Ja, und zuvor der Aufstieg», sagt einer von uns.

(Fotos Heini Gächter)

Dürrspitz

Die kleine Skitour zum Jahresbeginn wird zur Reise in die Vergangenheit. Unverhoffte Begegnungen im Jugendland.

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Gibswil ist nicht mehr Gibswil. Hier stand ich als kleiner Bub, schaute den Dampflokomotiven zu und einmal hob mich der Heizer hinauf und ich durfte ins Feuer schauen. So stellte ich mir die Hölle vor. Heute schaue ich nach dem Aussteigen aus dem Thurbo irritiert um mich: Wo ist der Bahnübergang, über den wir früher ins freie Feld jenseits der Geleise gelangten. Zum Beispiel als Erstklässler, als wir im tiefsten Winter auf die Oberegg stapften. Hansruedi und ich auf unserer ersten «Bergtour» – der ersten von unendlich vielen. Verschwunden. Verschwunden so vieles hier, die Fabrik, die «Bündnerstube», der Schlittel- und Skihang über dem Dorf, die Kiesgrube, die Linde auf dem Böl. Dafür ein unübersichtliches Gewucher von Häusern und Häuschen. Aus dem Fabrikdorf ist ein Schlafdorf geworden, mit S-Bahn-Anschluss.
Wir schultern die Ski. Dann halt Richtung Rad und auf der Strasse zum Lehberg hoch. Die gibt’s noch. Dort oben dann auf eine Spur, ziemlich steil und zum Teil von Schneeschuhen zerstampft. So ist’s hat. Es gibt viele Arten, sich im Schnee zu tummeln und kein Recht auf die reine Spur. Früher waren wir die einzigen auf diesen Hängen, mit Vaters alten Eschenski und noch echten, abgewetzten Seehundsfellen. Der Dürrspitz war sicher meine erste Skitour. Seit Jahren habe ich ihn mir wieder vorgenommen, ist ja so nah und so lawinensicher und die Hänge sind so schön und steil. Und mit OeV gut erreichbar. Mit den Stöcken spüre ich eine Kruste auf dem tiefen Pulverschnee, der auch schon tüchtig verfahren ist. Die genussvolle Abfahrt wird es nicht werden.
Auf einer andern Spur fellt bedächtig ein älterer Herr bergan, kennen wir uns? Ja klar, auch nach fünfzig Jahren noch. Erinnerung an wilde Skitouren mit Biwak, an grosse Klettertouren, Bockmattli, Salbitschijen, Calanques. Irgendwann ein Bruch, und irgendwie schwingt das noch immer nach, in den wenigen Sätzen, die wir tauschen. Mach’s gut, e guets Nöis, gueti Ziit.
Die Schweizerfahne auf der Oberegg ist nur noch ein Fetzen, selbst das Kreuz ist weg. Erinnerung an Noldi und die Skihütte, wo wir jeweils einkehrten, auf unseren Dürrspitztouren, Punsch tranken oder Veltliner und jassten. Offensichtlich hat niemand mehr die Verantwortung für die Fahne übernommen – irgendwann werden wohl die zahlreichen SVP-ler der Gegend eine knallige Schweizerfahne made in China aufziehen.
Am Schlusshang die nächsten Bekannten von einst: Pfadifreund Walter mit seiner Frau. Auch mit ihnen ein paar Worte gewechselt. Ein gutes Neues gewünscht. Ich denke, nun fehlt nur noch der Hansruedi K., mit dem ich wohl dutzendemale hier hochgefellt bin damals – wer steht auf dem Gipfel? Es ist, als hätten wir uns alle verabredet, wir alten Herren. Als hätte uns an diesem Neujahr eine unbestimmte Sehnsucht gepackt. Aber es ist ja doch nur ein grosser Zufall – und das Prachtswetter und der seltene Schnee.
Inzwischen haben steigende Nebel die Sicht ins Tal verschluckt – macht nichts. Das Bild von Gibswil in meinem Kopf ist ohnehin ein anderes, es ist das unvergesslich, das Jugendland. Himmel und Hölle.
Am Schluss nach eher schwieriger Abfahrt entdecke ich dann doch noch den alten Bahnübergang, der zwar keiner mehr ist, aber doch noch von einigen benutzt wird – alten Gibswilern wie ich vielleicht.

ClimbLed – Klettern digital

Im Verdrängungswettbewerb der Kletterhallen sind neue Ideen gefragt. Eine davon ist die elektronische Steuerung des Schwierigkeitsgrades an der Kunstwand. Die Halle «Griffig» in Uster hat die Nase vorn – wir haben geschnuppert.

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Hier hat meine Kletterkarriere begonnen, vor über 50 Jahren. Uster sah damals noch bescheiden aus, machte noch nicht auf Grossstadt. Vom Bahnhöfli die Bahnhofstrasse hinab und dem Fabrikkanal entlang zum Zellweger, das war mein täglicher Weg. Es gab aber damals schon eine Gruppe von wilden Kletterern, denen ich mich anschliessen durfte, so genannt Extremen, und beim Zellweger lernte ich Elektronik. Und nun gibt’s die Kletterhalle, die beides verbindet: Klettern und High-Tech. Ein grauer Klotz draussen im Niemandsland zwischen Spital, Autobahn und Sportplätzen. Eine weite helle Halle, saubere Garderoben, Café, Kinderecke, schöne Routenauswahl und an diesem Mittwochnachmittag mässig belebt.
Und da gibt’s nun eben ClimbLed, eine Wand mit schwarzen Griffen, die mit roten oder grünen Leuchtdioden bestückt sind. An einem Touchscreen kann die Schwierigkeit eingestellt werden, von 5c bis 7a+, und entsprechend leuchten die erlaubten Griffe auf. Es drängt sich gerade eine Gruppe der iPhone-Generation zu den zwei Routen, die elektronisch gesteuerte Kletterwand macht den Jungs und Mädels offenbar Spass. Vielleicht ist das ja die Zukunft: eine ganze Halle so bestückt, würde bestimmt Kosten sparen, das personalintensive Um- und Neuschrauben von Routen würde wegfallen. Auch müsste man nicht mehr anstehen, bis eine Route im gewünschten Grad frei ist, denn wo immer ich anpacke, die Schwierigkeit entspricht exakt meinen individuellen Möglichkeiten und Trainingswünschen. Die Testanlage – so wird ClimbLed offenbar verstanden – ist wohl nur der der erste Schritt der Automatisierung und Digitalisierung des Kunstkletterns. Zukünftig wird selbstverständlich gespeichert, wer welche Route geschafft hat – Sensoren stellen fest, wenn ich einen unerlaubten Griff berühre. Google klettert mit.
Mit Schrittmotorantrieb können sich zukünftig die Griffe auch drehen und so den Grad feintunen. Spätere Technologien werden auch beliebige Strukturen aus einer künstlichen Wand wachsen lassen, ich stelle mir eine Art ultraschnellen 3-D-Drucker vor. Und nicht genug: Ganze Klettergebiete oder jedenfalls Vierstern-Routen lassen sich quasi per Copy-Paste 1:1 abbilden. Heute ist Galerie angesagt, morgen Schillingsflue. Der reale Fels, so ahnen wir, wird allmählich überflüssig. Per Knopfdruck, bzw. Fingertip auf den Touchscreen, ist augenblicklich alles da, wozu real eine lange Anreise und ein mühsamer Zustieg erforderlich ist. Ein Eldorado des Klettersportes also steht in Aussicht. Vielleicht gibt’s dann doch noch ein paar Ewiggestrige, die sich ins reale «Eldorado» am Grimselsee bemühen und dabei ihren ökologischen Fussabdruck strapazieren. Aber vielleicht gibt’s dannzumal dort ja auch ein Steuerpult am Fuss der Wand und eine Reihe von Leuchtdioden bis zum Gipfel.

Monte Sordo, immer wieder

«Eines der schönsten Massive des Gebietes, hervorragender Fels, traumhafte Landschaft, phantastische Routen in allen Schwierigkeitsgraden, kurz, ein Muss.» So steht es in einem Kletterführer von Finale. Aber das sehen nicht alle so.

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Das Wetter, wolkenlos und warm, es ist Mitte November. Vor vier Tagen hat es in zwei Stunden so viel geregnet wie sonst in drei Monaten, erzählt man uns. Zeigt uns Handyfotos: in Finalborgo stand das Wasser meterhoch in den Strassen. Trockenmauern stürzten ein, Bäche rauschten über die Felswände, rissen Runsen in die steilen Talflanken, verschütteten Strassen und Wege. Doch heute, alles vergessen, alles wie immer, die Felsen trocken, die Temperatur angenehm. Finale, der Traum vom Klettern.
Zum Abschied, und das wie oft, geht’s hinauf zum Monte Sordo, dem Berg, der nichts hört. Unser Pflichtprogramm beginnt mit der Placca delle bimbe, eine Aufwärmeroute, die aber auch schon recht in die Finger geht. Sofern es überhaupt was hat für die Finger. Der Fels ist löchrig, Finalefels eben. Auch wenn sie kleinen Mädchen gewidmet ist, wie der Name suggeriert, man muss zupacken.
Bald trifft ein junges Paar ein, sie sprechen deutsch und fragen nach unserer Route. Der Mann blättert im Kletterführer, mit farbigen Klebern sind Seiten markiert. «Ah, hier sind wir.» Ja, da ist eine Route, und da, und da. Anseilen, er entledigt sich des Tshirts, es ist ja schon recht warm und ein trainierter Oberkörper sieht echt stark aus. Das Muskelspiel zeigt sich, und man wundert sich, dass er sich für eine 5c entscheidet. Den grossen, oben nach rechts sich neigenden Riss, der sich durch den zentralen Sektor zieht. L’arco dei Guaitechi, die erste die logische Route durch die Wand, im Juni 1973 erstbegangen von Gianni Calcagno, einem der bedeutendsten italienischen Alpinisten, der 1992 am Denali ums Leben kam. Und von Alessandro Grillo, ein Kletterpionier, der für seine Erschliessertätigkeit im Finalese von der Gemeinde Finale Ligure mit dem Premio «Una vita per Finale» ausgezeichnet worden ist. Die Route ist also ein Klassiker im historisch Sinn wie auch im Stil: Risskletterei, spreizen, stemmen, piazzen.
Der junge Sportsmann mit der nackten Brust schafft denn die Länge auch mit etwas hängen und schimpfen, seine Begleiterin will nicht nachsteigen. «Gefällt mir nicht!»
Nun gut, man will ja Spass haben, sich nicht aus Pietät vor der historischen Bedeutung der Route die Finger kaputt machen. Wen interessiert denn schon die Geschichte einer Route und ihrer Erschliesser. Der Junge, nun wieder im Tshirt, setzt zu einer Schimpftirade an, die kein Ende nehmen will und von der wir vor allem das immerzu wiederholte Wort «Scheisse» vernehmen. Es ist also eine Scheissroute und Finale ist überhaupt totale Scheisse mit diesem Scheissfels und den Scheisslöchern (ich fasse zusammen). Zum Glück, denke ich, ist der Berg taub, wie sein Name sagt, sordo, sonst würde er vielleicht ein Stück Fels auf die frustrierten Besucher schmeissen.
Nervöses Blättern im Führerbuch, dann Beratung. Wohin könnten wir denn fahren, wo der Fels nicht so scheisslöchrig und scheissabgespeckt und überhaupt ist? Das sei, höre ich zwischendurch, überhaupt nicht Sportklettern sondern nur … eben. Übrigens auch der Führer des braven Thomas Tommasini muss noch dranglauben: Scheisse.
Nun habe ich ja eigentlich nichts gegen das Wort, ich habe es sogar mal in einem Text verwendet, für den ich vom Schweizer Alpenclub einen Literaturpreis erhielt, trotz Gegenstimme einer Frau Vögeli in der Jury, die sich eben an diesem Wort störte. Aber man braucht es halt manchmal, es rutscht einem raus, aber doch bitte mit Mass.
Wir klettern also weiter unser Programm, die beiden Jungen beruhigen sich, packen zusammen und ziehen still und leise davon. Wohin, haben wir nicht verstanden, hoffen einfach, dass sie irgendwann doch noch Felsen finden, die nicht scheisse sind, sondern eben so, wie sie sich das zuhause vorgestellt haben, als sie das Führerbuch studierten und mit farbigen Klebern die Sektoren markierten. Und wenn nicht, dann gibt es ja auch Kletterhallen, da ist der Fels bestimmt nicht scheisse, denn es gibt gar keinen.

Hard Rock an der Schillingsflue

Militäraviatik-Fans kommen in diesem Klettergarten über dem Haslital voll auf die Rechnung – aber auch der gewöhnliche Steuerzahler erhält etwas für sein Geld: Begleitmusik der dröhnenden Art, dazu noch schöne steile Routen. Hard Rock hoch zwei.

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Plötzlich rollt ein Donnern und Tosen vom Tal herauf, prallt gegen die Wand, die zu beben scheint unter der Druckwelle. Für Sekunden glaube ich, der Berg breche gleich in sich zusammen, decke mich zu und meinen Kletterfreund damit, der hoch oben an winzigen Griffen im Überhang kämpft. Ein bisschen Sand rieselt herab, ein paar Laubblätter segeln durch die Luft. «FA-18», ruft mein Freund herab, bis ich, ein bisschen schwer von Begriff, endlich begreife. Da unten in Unterbach bei Meiringen gibt’s einen Militärflugplatz, und da startet einer dieser teuren Vögel und bläst unser Steuergeld in die Luft hinaus. Ich erinnere mich an einen bösen Streit in einem Klettergarten, als ein Kletterer ein Leibchen trug mit der Aufschrift «Stopp FA-18». Aber nun sind sie halt da, die Generalsspielzeuge, waren per Referendum nicht zu verhindern, wie im Mai der Gripen. Inzwischen herrscht wieder Stille, der Freund hat die Umlenkung erreicht und damit sein Sommerprojekt vollendet, wie er sagt, «Damokles», 7a+.
Wir befinden uns an der Schillingsflue, die Herbstsonne wärmt den Rücken, ein angenehmer Ort, wenn da nicht dieser Fluglärm wäre, gegen den die Südanflüge in Zürich bloss ein angenehmes Säuseln sind. Wie halten das die Oberhasler nur aus? Vielleicht, indem sie die angestauten Aggressionen beim Klettern abreagieren? Oder gar selber auf dem Flugplatz arbeiten, wie weiland der berühmte Bergsteiger Ernst Reiss, Erstbesteiger des Lhotse und damit erster Schweizer auf einem Achttausender. Aber damals waren die Propellerflieger ja noch nicht so laut und an der Schillingsflue kletterte noch niemand.
Ein erster Versuch vor einigen Jahren endete schon oben im Wald, weil ich genialer Pfadfinder den Abstieg zur Wand nicht fand – obwohl mich ein Freund am Handy ferngesteuert dirigierte. Nun hat’s doch noch geklappt, schon zum zweiten Mal, und auch diesmal muss der Mega-Klassiker «Violett» geklettert sein, nebst ein paar andern Routen und einem kleinen Versuch an «Macky Messer», schon ein bisschen müde. Man findet ja immer eine Ausrede, und die Wand läuft ja nicht davon.
Wir sind fast allein an diesem Prachtstag, aber die zum Teil abgewetzten und mit Magnesia gut einbalsamierten Griffe zeigen, dass man hier nicht immer einsam klettert. Im prächtigen Buch «Sportklettern Berner Oberland» von Hans Grossen lese ich, die Haslitaler Kletterer hätten lange Zeit ihre Klettergebiete unter dem Deckel gehalten, so wie die Tessiner, um sie vor dem Ansturm der Zürcher ect. zu verschonen.
Tempi passati. Das kletternde Lehrerpaar Lorenz und Sue Wenger haben hier nach der ersten Pionierphase mit Kaspar Ochsner , Peter Lechner & Co. saubere Arbeit geleistet, Routen gelegt und saniert, Topos gezeichnet und auch einen Sektor «Women» mit schönen moderaten Routen in rauem gelbem Fels eingerichtet. Leider halt ein bisschen sandig alles, aber man gewöhnt sich dran. Jedenfalls sind jetzt auch Nicht-Berner-Oberländer willkommen, schliesslich zahlen wir ja alle an die FA-18 Begleitmusik, Hard Rock vom teuersten.

Sizilianischer Hard Rock

San Vito Lo Capo im Nordwesten Siziliens ist für Kletterer zur Top-Destination geworden. Diesen Herbst haben wir uns aufgemacht, das Felseldorado an der Küste des tyrrhenischen Meers zu erkunden.

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Nachts sind die Felsen hinter dem Zeltplatz rot und grün beleuchtet, auf der andern Seite schlägt die Meeresbrandung gegen felsige Riffe. Die Sonne sinkt in Nebelbänke, ein Bild wie aus dem Ferienprospekt. Oh, wir sind ja in den Ferien.
Nach dem Klettern sind wir im Swimming Pool geschwommen, dann haben wir auf der Terrasse des Restaurants Kaffee getrunken, später einen Apero genehmigt. Es ist Oktober und es ist heiss. Vor dem Einschlafen Jagd auf Mücken, dann früh hinaus. Der erste Sektor der kilometerlangen Scogliera di Salinella ist in fünf Minuten erreicht. Wir sind nicht die ersten. Im Morgenschatten tummeln sich schon Kletterpaare und Kletterfamilien und Kletterrentner, Klettermütter mit Babies im Tragsitz machen sich bereit zum Aufwärmen. Einmal fragt ein Klettervater, der sein Baby in einer Höhle deponiert hat, man solle ihn rufen, wenn es schreie, er klettere mit seiner Frau im Sektor nebenan. Willkommen im Kletterresort El Bahira, dem Camping zwischen Fels und Meer.
Der Fels ist grandios, rauh und fest und griffig, also noch nicht so abgespeckt wie anderswo. Die Routen abwechslungsreich, gut abgesichert und sinnvoll eingebohrt, die Bewertung meist moderat. Das stärkt das Selbstbewusstsein, obwohl man ja eigentlich weiss: Das wäre in Finale keine 6a, sondern eher 5c. Aber wir sind ja jetzt in Sizilien, zum ersten und vielleicht nicht zum letzten Mal. Freundlich ist im Camping El Bahira alles (ausser die Bedienung gelegentlich), familienfreundlich und oldiefreundlich und sportfreundlich und überhaupt. Alles recht sauber und praktisch und auf die kletternden Gäste aus aller Welt zugeschnitten: Schweizer, Deutsche, Russen, Tschechen, Franzosen, Engländer haben wir getroffen. Das Personal weigert sich standhaft, italienisch zu sprechen. Wir haben Verständnis, es ist eine Botschaft: Wir gehören zur Welt, genauso wie ihr, auch wenn wir hier nur einen minderen Job machen.
Klettern könnte man hier ein Leben lang, sofern man sich am Gewusel um die Einstiege nicht stört. Gelegentlich ist ja sogar die Wunschroute frei, und sonst findet sich sicher eine andere oder ein Sektor, der nicht direkt an der Ameisenstrasse liegt und somit etwas weniger frequentiert ist. Die Stimmung ist jedenfalls friedlich und fröhlich. Eher selten haut jemand mit der Faust auf den Fels, weil er die Stelle nicht auf Anhieb schafft. (Es würde ja auch schmerzen, der Fels ist so rauh.)
Wems zu bunt wird, der kann ja in eines der vielen Gebiete der Insel ziehen, die nicht so top-in sind wie San Vito. Etwa in die Cavadonna bei Siracusa (falls er sie findet), eine ziemlich versteckte Schlucht mit steilem Zugang und fantastischen Routen, wo wir nur zwei Deutsche getroffen haben, die dort ein paar Tage mausallein das ganze Gebiet abkletterten. Total begeistert. Um den steilen Aufstieg zu umgehen, empfahlen sie uns, eine 6a zu klettern, die bis zur Hochfläche führt. Mit schwerem Rucksack im Nachstieg bei etwa 35 Grad ein Erlebnis der besonderen Art.
Zwischendurch auch mal eine Wanderung im Naturschutzgebiet Riserva dello Zingaro, wo es auch schöne Badestrände gibt, oder auf den Monte Cofano – zumindest ein Stück weit, bis uns ein heisser Sturm vertreibt, der direkt aus Afrika zu kommen scheint. In der Nacht dann ein grandioses Schauspiel: die ganze Bergflanke über der Scogliera steht in Flammen. Buschfeuer, vielleicht bewusst gelegt oder durch eine Zigarette aus dem Autofenster entfacht. Stimmen in der Nacht, die befürchten, das Feuer könnte über die Felswand herab das Camping in Brand setzen. Wo bleibt die Feuerwehr? Am Morgen ist der Spuk vorbei, die Bergflanke schwarz, da und dort steigt noch etwas Rauch auf.
Nach einer Woche verlassen wir unser Casa Mobile, ziehen weiter und denken schon darüber nach, wann wir zurückkehren werden.